Der Augsburg Zyklus

von Jean-Paul Meyer

Im Falle des Augsburger Architektur-Bildhauers Claus Scheele ist das Medium der Umsetzung das Bild. In der komplexen Form der Collage von realistischen Augsburger Architektur-Ausschnitten und dem tableauartig wiederkehrenden eigenen Architekturspiel erzählt er Augsburg-Parabeln. Der historische Diebstahl des Kattundrucks, der auch als Tapete verwendet wurde, durch den Augsburger Goldschmied Georg Neuhofer wurde für Scheeles künstlerisches Unterfangen zur methodisch-experimentellen Initialzündung. Seine methodische Neuentdeckung erschloss sich ihm in der charakteristisch modernen Form des artistischen Diebstahls, der ganz bewusst die verschiedensten Stilrichtungen kontaminiert. So mischen sich in seinen Collagen beispielsweise bedenkenlos Comic-Strips und Surrealismus. Farbgebung, in das Bild montierte Texte oder symbolische Figuren der Vergangenheit und Gegenwart - Jakob Fugger etwa und Dagobert Duck den Reichtum der Vergangenheit und der Gegenwart symbolisierend ("Die Türme des Parade fahren kann, um ihr vorübergehend den Stempel des Elias und das Geld") - entwickeln Scheeles hochartistisches Augsburg-Panorama. Seinem satirisch-entlarvenden Spieltrieb entgeht nichts. Kein historisches Motiv - etwa Asterix und Obelix als Gladiatoren in Rom kämpfend ("Die Türme des Elias und die Geschichte") - kein Kunstmotiv (Picassos Friedenstaube) und kein politisches Motiv (die sich immer zu unser aller Anklage ins Bewusstsein schiebende Dritte Welt oder die an Stelle der Rathaus-Kuppeln in den Himmel starrenden Pershings) fehlen in seiner Collagen-Parabel. Witzige Travestien - Diogenes als menschensuchender Gartenzwerg - oder einfallsreiche metaphysische Dekuvrierungen - Luther hinterlässt als zynische Quintessenz seines Glaubenskampfes buchstäblich nichts als den sprichwörtlichen Osterhasen, an den niemand mehr glaubt – wechseln mit Geschichts-Collagen (Scheele selbst als Ritter der Vergangenheit). Abgeschlossen wird der eigenwillige, parabolische Zyklus mit Jörg Scherkamps witziger Feststellung: "2000 Jahre Augsburg sind genug!", die in verschiedener Struktur und mit verschiedenen Buntstiften als eine Art Strafarbeit über das ganze Bild geschrieben ist, eine ebenso satirische wie einfallsreiche Schlusspointe. Die Technik, die der aus dem historischen Kattundruck-Diebstahl abgeleitete Stilkontamination Rechnung trägt, nennt Scheele "Profanmixt". Zusätzlich zur Ebene des Collage-Bildes bringt er durch eine transparente, nach Art der Hinterglasmalerei bemalbare Folie eine zweite artistische Ebene ins Spiel, die der ersten je nach künstlerischer Intuition und Intention in die eigengesetzliche Parade fahren kann, um ihr vorübergehend den Stempel des Ausdrucksgesetzes aufzudrücken.

© copyright 2000 by Claus Scheele
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